Samstag, 24. Januar 2009
 
Deutscher Stahlkonzern verseucht Meeresbucht in Brasilien PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Norbert Suchanek   
Montag, 12. Mai 2008

Arbeitsplätze gegen die Vernichtung der Existenz von Fischerfamilien. Ein deutscher Stahlkonzern läßt sich in Brasilien für ein umstrittenes Projekt feiern.


Der Autokonzern General Motors lobte vor kurzem den deutschen Stahlriesen ThyssenKrupp als seinen besten Stahllieferanten 2007 und verlieh ihm die Auszeichnung „Best of the Best“. Die letzten Fischer der Bucht von Sepetiba vor den Toren Rio de Janeiros sehen das anders. Für sie ist Thyssen-Krupp „the Worst of the Worst“. Sie klagen den Stahlkonzern wegen massiver Umweltverschmutzung und Verletzung der Menschenrechte an.

Seit September 2006 baut Thyssen-Krupp an einem neuen rund drei Milliarden Euro verschlingenden Riesenstahlwerk in Sepetiba. Die Thyssen-Krupp CSA Siderúrgica do Atlântico wird zwar voraussichtlich erst im kommenden Jahr fertig sein und 3.500 Arbeitsplätze schaffen, doch bereits während der Bauphase habe es die Existenz der über 8.000 Fischer und ihrer Familien faktisch zunichte gemacht. So die Klage von lokalen Bürgerinitiativen und Menschenrechtsgruppen, die bereits seit vergangem Jahr gegen den Stahlkonzern vor Gericht klagen. Am 13. Mai werden sie den Fall Thyssen-Krupp nun auch vor das ständige Tribunal der Völker (TPP) im peruanischen Lima bringen.

Dank Thyssen-Krupp sei das Fischen in der Bucht unmöglich geworden. Der Fischbestand sei extrem zurückgegangen und der wenige Rest mit Schwermetallen belastet. „Das Stahlwerk entsteht innerhalb eines Naturschutzreservats, in dem die Fische der Bucht laichen und heranwachsen“, erläutert Ivo Siqueira Soares, Präsident der Vereinigung der Fischer von Pedra de Guaratiba. Zum einen vernichtete Thyssen-Krupp während der Bauarbeiten viertausend Quadratmeter für die Meeresökologie wichtigen Mangrovenwalds. Zum anderen setzten das Ausbaggern des Fahrrinne und des vorgesehenen Hafenbeckens mit seinem vier Kilometer langen Pier für Riesenfrachtschiffe hochgiftgen mit Schwermetallen belasteten Abraumschlamm eines früheren Minenbetriebs (Ingá Mercantil) frei, der nun das Meeresökoystem und insbesondere biologisch empfindliche Teile der Bucht verseucht. Siqueira Soares: „Dies vertreibt die Fische und vergiftet sie mit Cadmium und Zink.“ Die Hafenanlagen entstünden außerdem exakt in dem Teil der Bucht, wo die Fischer früher die besten Fänge hatten.

Laut Rechtsanwalt Victor Mucare, der die Vereinigung der traditionellen Fischer Rio de Janeiros vertritt, sei Thyssen-Krupps CSA klar verantwortlich für die durch die Bauarbeiten entstandenen ökologischen und sozialen Schäden in der Region, wobei bestehende Umweltschutzgesetze verletzt oder gar nicht umgesetzt wurden. Die Umweltschutzbehörde IBAMA habe zwar vergangenen Dezember aufgrund der Klagen der Fischer und der klar sichtbaren, verbotenen Mangrovenabholzung einen Baustopp gegen die CSA verhängt. Doch diese IBAMA-Anweisung wurde nicht umgesetzt, und die Bauarbeiten liefen unabhängig davon weiter.

Die schon seit zwei Jahren gegen das Stahlwerkprojekt vorgebrachten Klagen der Fischer und Umweltschützer Rio de Janeiros kümmerte bisher weder den Vorstand der Thyssen-Krupp AG noch den brasilianischen Staatspräsidenten. Luiz Inácio da Silva besuchte erst vergangenen Februar die Baustelle der CSA Siderúrgica do Atlântico. Präsident Lula lobte dabei „die große Einsatzbereitschaft und hohe Kompetenz der über 10.000 Arbeiter auf der Baustelle und der 600 Mitarbeiter von Thyssen-Krupp CSA.“ Und Thyssen-Krupp-Vorstand Karl-Ulrich Köhler ergänzte: „Das drei Milliarden Euro teure Werk wird eine stabile Basis für die Fortsetzung dieser exzellenten Beziehungen sein.“ Lob für Thyssen-Krupp gab es ebenso von Rio de Janeiros Bürgermeister Cesar Maia: „Thyssen-Krupp CSA gebührt Dank hierfür und Rio de Janeiro darf sich zur Ansiedlung dieses Unternehmens beglückwünschen“.

Auch auf der offiziellen Website von Thyssen-Krupp CSA findet sich kein Wort über die Klagen der Fischer von Sepetiba. Stattdessen ist zu lesen: „Die Auslegung des Werks orientiert sich an modernster Technologie und an höchsten Umweltstandards. Thyssen-Krupp CSA hält nicht nur die in Brasilien geltenden Umweltschutzrichtlinien ein, sondern die weitaus schärferen europäischen Vorgaben. Für Thyssen-Krupp Steel ist das neue Stahlwerk ein Jahrhundertprojekt. Und der Schlüssel für eine Vorwärtsstrategie, die das Unternehmen in eine dauerhaft erfolgreiche Zukunft führt.“ Für die Familien, die seit Generationen vom Fischfang in der Bucht von Sepetiba leben, scheint jedoch die Zukunft als Fischer dauerhaft vernichtet zu sein!

Bisher unterstützen zehn regionale Umwelt- und Menschenrechtsgruppen die Fischer von Sepitiba. Bereits Anfang 2006 warnten sie vor der Verwirklichung des Stahlwerk- und Hafenprojektes des deutschen Stahlriesen und fordern nun den Stopp der Bauarbeiten sowie finanzielle Entschädigungen.

Auch Kathrin Buhl von der in São Paulo ansässigen Rosa Luxemburg-Stiftung ist auf der Seite der Fischer von Sepitiba. „Thyssen-Krupp verlezt die Menschenrecht hier in Brasilien und zerstört die Umwelt“, so Kathrin Buhl, die hofft, dass nun auch deutsche Gewerkschaften, Politiker und Umweltschutzgruppen die Fischer in ihrem Kampf gegen Deutschlands größten Stahlkonzern unterstützten.

Das neue Stahlwerk und der Stahlexporthafen von Sepetiba sind nur eines von mehreren gigantischen Rohstoffexport- und Hafenprojekten in Brasilien.

Bei lokalen Bevölkerungen und Umweltschützern umstrittene Exporthäfen und Industriekomplexe sollen beispielsweise an der Küste São Paulos bei Peruibe, sowie in Bahia bei Ilheus oder auch in Ceará entstehen. Ursache ist sowohl der von der Regierung Lula vorangetriebene Biotreibstoffboom sowie die forcierte Ausbeutung der mineralischen Rohstoffe wie Bauxit (Aluminium), Eisenerze und Uran. Deshalb ist die brasilianische Regierung auch gerade dabei, die industrielle Ausbeutung der noch ungehobenen Bodenschätze in den bereits demarkierten Indianerreservaten zu legalisieren.

Diese einheimischen Vereinigungen und Organisationen klagen Thyssen-Krupp an:

CONFAPESCA (Confederação das Federações de Pesca do Brasil)
FAPESCA (FAPESCA, Federação das Associações dos Pescadores Artesanais do Estado do Rio de Janeiro)
Fórum de Meio Ambiente e Qualidade de Vida do Povo Trabalhador da Zona Oeste e da Baía de Sepetiba
AAPP-GUARATIBA (Associação de Pescadores Cercadeiros de Pedra de Guaratiba)
ABIT (Associação de Barqueiros de Itacuruçá)
APESCARI (Associação de Pescadores Canto dos Rios)
AMACOR (Associação de Maricultores de Coroa Grande)
Colônia de Pescadores da Pedra de Guaratiba (Z 14)
Colônia de Pescadores de Sepetiba (Z 15)
SEPE Santa Cruz
VERDEJAR Proteção Ambiental e Humanismo
Rede Alerta contra o Deserto Verde Fluminense
APELT (Associação de Pescadores Artesanais Livres de Tubiacanga/Ilha do
Governador)
Movimento dos Pescadores Artesanais Sem Mar (MSM - Movimento dos Sem Mar)
MST (Movimento Sem Terra)
Rede Contra a Violência



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